Landschaftspflegeholz: EUWID interviewt Thorsten Grantner
07.06.2017EUWID-Interview mit OmniCert-Gründer Thorsten Grantner
Landschaftspflegeholz: „Ökologische Lenkungswirkung verloren gegangen “Was unterscheidet die Nachweisführung der Biomasse für Betreiber von Biomasseheizkraftwerken bei OmniCert von anderen Umweltgutachtern?
Die Aufgabe der Umweltgutachter besteht darin, die Nachweisführung der Anlagenbetreiber zu überprüfen.
Dazu zählt laut EEG 2009 und 2012 unter anderem die Bestätigung von Nachweisen über die Art der Biomasse, über die Menge und vor allem über die Herkunft. Dabei reicht es nicht, ein Gutachten zu unterschreiben, wenn ein Zwischenhändler einen Lieferschein über die Herkunft ausgestellt hat.
„Aus meiner Wahrnehmung heraus muss die Herkunft des Materials belegbar sein.
Dazu suchen wir uns stichprobenartig am Kraftwerk Lieferscheine über rund fünf Masseprozent des Materials heraus, lassen uns von den Holzhändlern Angaben zur Herkunft machen und überprüfen die Plausibilität vor Ort bei den Lieferanten und am Ort der originären Brennstoffgewinnung (Baustellen, Einschlagstellen). Den Aufwand betreiben mit Sicherheit nicht alle Gutachter, wohl auch weil sie damit nicht beauftragt wurden.“
Haben Sie schon von Fällen gehört, in denen der Betreiber eines Biomasseheizkraftwerks aufgrund mangelhafter Nachweisführung EEG-Förderung zurückzahlen musste?
Diese Fälle gibt es definitiv. Wir wurden schon mehrfach für Gerichtsgutachten beauftragt, zum Beispiel für ein Parteigutachten vor dem OLG Braunschweig, das im Februar ein Grundsatzurteil zum Landschaftspflegebonus gefällt hat. Vom OLG Regensburg wurden wir in einem Insolvenzverfahren mit der Überprüfung der Nachweisführung für den KWK-Bonus beauftragt.
Es sind aber auch schon Kraftwerksbetreiber zu uns gekommen, nachdem der Netzbetreiber ihre Nachweisführung nicht anerkannt hat. Diese nachträglich zu überprüfen ist jedoch schwierig, da das Material in der Regel bereits verbrannt ist und die Rodung lange zurückliegt. Bei Kunden, die uns von Anfang an beauftragt haben, gab es allerdings noch nie Fälle, in denen die Herkunftsangaben nicht bestätigt werden konnten. Problematisch ist die Überprüfung der Nachweisführung auch dann, wenn der Kraftwerksbetreiber in seinen Verträgen mit den Holzhändlern nicht festgelegt hat, dass diese die Herkunft offenlegen müssen. Grundsätzlich leben die kleineren Händler nämlich davon, dass keiner weiß, wo das Material herkommt, sonst bräuchte der Kraftwerksbetreiber den Händler nur als Spediteur. Ist es in den Verträgen festgehalten, kann der Kraftwerksbetreiber aber einen unabhängigen Gutachter schicken, der eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet.
Viele große Händler bieten seit Jahren mit einer exakten Nachweisführung zusätzliche Rechtssicherheit. Es gibt jedoch auch schwarze Schafe, die Holz aus der Ukraine, Westafrika oder Rumänien importieren und es eventuell sogar als Landschaftspflegematerial kennzeichnen, was der beabsichtigten ökologischen Lenkungswirkung des Landschaftspflegebonus widerspricht. Wir auditieren auch kleinere Direktlieferanten, deren Nachweisführung ausreichend ist. Meist scheuen jedoch sowohl diese als auch manch großer Händler den „lästigen Papierkram“, was ein finanzielles Risiko für den Kraftwerksbetreiber darstellt.
Was sind die Voraussetzungen, damit ein Biomasseheizkraftwerk den Landschaftspflegebonus erhält?
Biomassekraftwerke, die unter dem EEG 2009 in Betrieb gegangen sind, müssen zu 100 Prozent Landschaftspflegematerial einsetzen, um den Bonus zu erhalten. Verbrennen die Anlagen auch nur kleine Mengen an Holz, das nicht aus der Landschaftspflege stammt, verlieren sie den Bonus für das ganze Jahr, was sich finanziell stark auswirkt. Eigentlich handelt es sich bei dem Landschaftspflegebonus im EEG 2009 um einen „Nicht-Malus“. Denn Anlagen, die zu 100 Prozent Landschaftspflegematerial einsetzen, bekommen vier Cent je kWh Strom. Alle anderen Kraftwerke bekommen nur 2,5 Cent je kWh. Damit sollte dem höheren Aufwand bei der Gewinnung und der Aufbereitung sowie den schlechteren Verbrennungseigenschaften von Landschaftspflegematerial Rechnung getragen werden. Gleichzeitig entstand so aber ein starker Anreiz, Landschaftspflegematerial durchs ganze Land zu transportieren, aber auch, Material falsch zu deklarieren. Damit ist das Gesetz von der ökologischen Lenkungswirkung kontraproduktiv. Hinzu kommt, dass es im EEG 2009 noch keine Definition von Landschaftspflegematerial gibt.
Das EEG 2012 hat den Landschaftspflegebegriff konkretisiert und das Ausschließlichkeitsprinzip aufgehoben. Betreiber von Anlagen, die nach dem EEG 2012 in Betrieb gegangen sind, können alle Holzarten einsetzen und bekommen je nach festgelegter Einsatzstoffvergütungsklasse eine anteilige Vergütung. Aus meiner persönlichen Sicht war das EEG 2012 das beste Gesetz, das wir bisher hatten. Es sorgt dafür, dass Landschafts- pflegematerial zu der Jahreszeit und in der Region eingesetzt wird, wo es anfällt. Folglich hat das EEG 2012 im Gegensatz zum EEG 2009 zur Regionalisierung der Energiewende beigetragen. Seit dem EEG 2014 gibt es gar keinen Bonus für NawaRo-Holz mehr und ich kenne kein Biomasseheizkraftwerk, das seitdem in Betrieb gegangen ist. Auch nach dem EEG 2017 wird die Herkunft des Einsatzmaterials keine Rolle mehr spielen. Eine ökologische Lenkungswirkung ist somit nach dem EEG 2012 verloren gegangen.
Thorsten Grantner, Umweltgutachter seit 2009, Mitglied im Umweltgutachterausschuss des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Gründer und Inhaber der OmniCert Umweltgutachter GmbH, die mit über 30 Mitarbeitern jährlich bundesweit rund 1.250 Begutachtungen für EEG-Anlagen und Biomasse Heizkraftwerke durchführt.
Bildquelle: OmniCert Umweltgutachter GmbH
Das Interview führte Dorothee Palla im Mai 2017 für EUWID.